Bindung macht stark. Ein großes Motto für unsere unstete Zeit und unseren Kongress;
denn Stärke können wir nun – mehr denn je – gebrauchen. Wilhelm von Humboldt sah in der zwischenmenschlichen Verbindung sogar die oberste Lebensaufgabe der Menschen: „Im Grunde sind es die Verbindungen mit den Menschen, die dem Leben seinen Wert geben“.
Die moderne Bindungs-Theorie benennt mit „Bindung“ die tiefe emotionale Verbundenheit zweier Menschen. Dabei sieht sie vor allem die frühe Bindung zu den Bezugspersonen in der Kindheit als maßgebend an. Diese frühkindliche Bindung sei die Voraussetzung dafür, dass wir uns später sicher fühlen im Prozess des Erwachsenwerdens und gestärkt durch unser Leben gehen.
Doch so wichtig die frühe Bindungserfahrung und der damit verbundene Bindungsstil sein mag: bis ins Letzte lässt sich die Entwicklung einer kraftvollen Persönlichkeit auch anhand der früheren Beziehung nicht vorhersagen. Denn nichts ist gänzlich festgeschrieben und unveränderbar. Einen möglichen Ausgleich können spätere gute Erfahrungen in Begegnungen schaffen und neue Beziehungen mit anderen Menschen. Mit Humboldt gesprochen ist es nicht nur ein frühkindliches Empfangen und Gefangen-Sein, sondern die eigentliche Lebensaufgabe, die uns im Sich-Verbinden bevorsteht.
Die Transaktionsanalyse versteht viel davon, die Menschen mit allen ihren frühen und späteren Bindungen, Bindungsstilen und Bindungsverarbeitungen zu unterstützen. Sie hilft Menschen, ihren Lebensinhalt und ihre Persönlichkeit zu finden. Und diese zu entwickeln durch Reflexion und Stärkung neuer Verbindungen.
In Zeiten von Einsamkeit und Isolation, von Singularisierung und Interessenegoismus ist dies kein einfacher Weg! Es geht längst nicht mehr nur um die private persönliche Lebenserfüllung. Nur gemeinsam – in Verbindungen der Menschen - im Sozialen - kann der gesuchte Lebenswert entstehen.
Der Schritt vom Ich-Denken zum Wir-Denken ist dabei wohl das zentralste Thema unserer Zeit. Die soziale Verbundenheit ist, wie sich auch aus der Sicht der Neurowissenschaften zeigt, in das menschliche „Selbst“ hineingewebt, sie ist Teil dessen, was wir sind.
Unser Bedürfnis nach Begegnung und Beziehung wird in der Transaktionsanalyse vor allem durch die neuen Konzepte der co-kreativen und relationalen Transaktionsanalyse beschrieben. Diese Konzepte drücken auf eine andere Art und Weise beschrieben etwas ähnliches aus, was auch Mystiker, wie z.B. Thomas Merton bereits in den 1960-Jahren ausgedrückten: „In der Tiefe sind wir schon alle eins“ . Wir müssen uns dieser Einheit nur wieder bewusst werden. Und sie dann aktiv im Leben umsetzen.
Als verantwortungsvolle, mitfühlende und liebende Lebewesen können wir dann zu einem gelingenden Leben beitragen. Durch Übung und Haltung, durch Begegnung und dem ausgesprochenen Wunsch nach Zugehörigkeit können wir viel dafür tun, in der Welt ein Zeichen zu setzen. Und so schließe ich mit einem weiteren Postulat von Wilhelm von Humboldt: „Ein Mensch muss erst gut werden, bevor er auf Menschen wirken kann.“
„Bindung macht stark“ – mit diesem Thema laden wir somit zum 44. Kongress der DGTA ein. Bereits zum zweiten Mal treffen wir uns in Osnabrück, der Stadt des Friedens und der Verständigung. Als Vorsitzende der DGTA begrüße ich alle Kolleg:innen und Gäste, die hier zusammenkommen. Verbinden wir uns hier, indem wir uns mit unserem Kongressthema beschäftigen, gemeinsam lernen und uns begegnen. Ich danke dem Kongressteam für dieses Thema, das die Transaktionsanalyse in ihrem Kern zusammenfasst.
Christine Behrens
1. Vorsitzende DGTA
Vom 23. bis 25. Mai 2025 lädt die Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse (DGTA) zum 44. Kongress nach Osnabrück ein. Unter dem Motto „Bindung macht stark – Bedürfnis – Begegnung – Beziehung“ werden wir die zentrale Rolle der Transaktionsanalyse in der Förderung von Toleranz und Respekt in unserer Gesellschaft beleuchten.
In einer Welt, die zunehmend von Unsicherheit und Spaltung geprägt ist, wird die Bedeutung von Begegnung und Beziehung, von Bindung und Bedürfnis immer deutlicher. Diese Elemente sind essenziell für das psychische Wohlbefinden und ein friedliches Miteinander.
Wie wirkt sich das Gefühl der Nicht-Bindung, des Abgelehnt Werdens von Teilen der Menschen in Deutschland durch eine gefühlt feindselige Mehrheitsgesellschaft aus und ist dies ein Gefühl oder Realität? Diese Frage ist wesentlich für migrantische Teile der Bevölkerung in unserem Land genau wie für viele Menschen nicht nur in den östlichen Bundesländern. Und wir müssen uns mit dieser Frage, mit den Auswirkungen dieser realen und/oder gefühlten Auseinandersetzung beschäftigen. Das Bedürfnis, Dazu zu gehören, durch Begegnung zu Beziehungen zu gelangen- was kann die Transaktionsanalyse - was können wir mit dem 44. Kongress in Osnabrück dazu beitragen?
Osnabrück, die Stadt des Westfälischen Friedens, erinnert uns daran, dass Frieden und Verständigung möglich sind, wenn wir bereit sind, aufeinander zuzugehen und unsere Unterschiede zu respektieren. Der Kongress bietet eine Plattform für inspirierende Begegnungen und den Austausch von Ideen, um gemeinsam Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu finden.
Wir freuen uns auf inspirierende Tage voller Austausch, gemeinsamer Erkenntnisse und der Stärkung alter und neuer Bindungen.
Euer Kongress-Team Osnabrück
kongress-team-osnabrueck2025@dgta.de
Wolfgang Kausler, Bernadette Kausler, Ulrike Glindmeyer, Wencke Kirchner-Wirth, Monika Hunziker-Hansen,
Thorsten Landowsky